Lange gab es für Kinder und Jugendliche keine spezialisierten Krankenhäuser. Sie wurden in den regulären Kliniken für Erwachsene behandelt, ab 1858 dann im Jenner-Kinderspital an der Gerechtigkeitsgasse. Dieses wurde 1962 es an das Inselspital übertragen. Unter der Leitung von Ettore Rossi trieb das Inselspital dann einen Neubau voran und legte 1973 den Grundstein der heutigen Kinderklinik, dem sogenannten Rossi-Palast. Das Video SRF Blickpunkte vom 24.02.1978 zeigt, wie das Kinderspital bei der Eröffnung ausgesehen und funktioniert hat.
Zwar gab es bereits speziell ausgebildete Fachkräfte für die Betreuung von Kindern. Konzepte wie «Children and Families First» existierten vor fünfzig Jahren jedoch keine, weshalb kranke Kinder weitgehend von ihren Eltern und Geschwistern isoliert betreut wurde. Heutzutage ist es Standard, dass die Familie in den Behandlungsalltag integriert und die täglichen Abläufe in der Kinderklinik eingebunden sind.
Medizinische Fortschritte
Ein wichtiger Meilenstein zur modernen Kindermedizin war die Einführung von Vorsorgeuntersuchungen. Alle Kinder in der Schweiz werden bis zum 14. Lebensjahr regelmässig vom Kinderarzt untersucht, damit entwicklungsspezifische und alterstypische Gesundheits- und Verhaltensstörungen möglichst frühzeitig erfasst und adäquat behandelt werden können. Grosse medizinische Fortschritte verzeichneten auch die Neugeborenenmedizin und die Versorgung von Kindern mit Leukämien und bösartigen Erkrankungen. In den letzten zehn Jahren gab es zudem signifikante Fortschritte in der Behandlung seltener Erkrankungen wie zum Beispiel der zystischen Fibrose oder angeborener neuromuskulärer Erkrankungen. Die Spezialisierung der Fachkräfte hat deutlich zugenommen. Heute umfasst die Kindermedizin alle Spezialisierungen, die auch die Erwachsenenmedizin kennt: Es gibt Kinderpneumologen, Neuropädiater, Pädiatrische Endokrinologen und Stoffwechselmediziner, Pädiatrische Gastroenterologen, usw.
Herausforderungen der Zukunft
Die Kindermedizin steht vor grossen Herausforderungen. Sie ist in der Schweiz unterfinanziert – mit aktuell besonders dramatische Auswirkungen. Der Fachkräftemangel breitet sich in alle Berufsgruppen aus. Während die Spezialisierung und das Fachwissen auf der einen Seite stetig zunehmen – viele, auch chronisch kranke Kinder erhalten heute eine gute Behanldung –, fehlen doch Ressourcen. «In dieser Situation ist der 50. Jahrestag der Grundsteinlegung der Kinderklinik auch ein Moment, der uns alle nachdenklich machen sollte. Ist die Gesellschaft bereit, ausreichend Geld für die gesundheitliche Versorgung und Vorsorge von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz zu sprechen? Welche Antworten haben wir auf die aktuellen gesundheitspolitischen Herausforderungen? Welche Infrastruktur brauchen wir hier am Standort Bern für eine Kindermedizin der Zukunft?». Diese Fragen beschäftigen Prof. Dr. med. Mathias Kopp, Chefarzt und Klinikdirektor der Universitätsklinik für Kinderheilkunde und Gastgeber des Symposiums. Er freut sich darum auch ganz besonders auf die Abschluss-Session über die Kindermedizin der Zukunft, bei der – moderiert vom Gesundheitsökonom Willy Oggier – die Ergebnisse eines interprofessionellen Workshops aus dem Medizinbereich Kinder und Jugendliche präsentieren werden.
Symposium «Kindermedizin gestern – heute und morgen»
Freitag, 1. September 2023 / 8.30 h
Kinderklinik, Inselspital, Universitätsspital Bern, Hörsaal Ettore Rossi