Bessere Vereinbarkeit von Klinikalltag und Forschungsarbeit dank Protected Research Time

Die Ergebnisse der letzten Studie müssen ausgewertet werden, die Folien der nächsten Vorlesung benötigen noch einen Feinschliff und gleichzeitig brauchen die Patientinnen und Patienten eine hochstehende Behandlung und einfühlsame Begleitung. Wenn Ärztinnen und Ärzte neben der medizinischen Dienstleistung auch forschen wollen, kann das ein arbeits- und zeitintensiver Spagat werden. Die Protected Research Time ist dazu da, diese Herausforderung zu entschärfen.

Als leitende Ärztin an der Universitätsklinik für Pneumologie des Inselspitals behandelt sie Menschen mit Lungenerkrankungen. Als Forscherin arbeitet sie unter anderem an digitalen Hilfsmitteln, die die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit Lungenleiden verbessern sollen. Es sind zwei verschiedene Hüte, die Dr. med. Sabina Guler jeweils aufsetzt, wenn sie entweder in der Klinik Menschen behandelt oder forscht. «Das Umschalten von der Ärztin zur Forscherin ist manchmal herausfordernd. Deshalb gestalte ich meine Protected Research Time so, dass ich einen Tag pro Woche von zu Hause aus an meiner Forschung arbeite. Die physische Distanz zur Klinik hilft mir, dass ich mich besser auf meine Forschung konzentrieren kann und nicht vom Klinikalltag abgelenkt werde», erklärt Sabina Guler.

Protected Research Time (dt. geschützte Forschungszeit) ist Arbeitszeit, in der Ärztinnen und Ärzte für Ihre Forschung vom Klinikalltag freigestellt werden. Das heisst, sie sollen – bei gleichbleibender Entlohnung – einen bestimmten Prozentsatz ihrer Arbeitszeit für die Forschung einsetzen. An der Insel Gruppe können sich angestellte Ärztinnen und Ärzte, die Forschung betreiben wollen, um Protected Research Time bewerben und so mindestens 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Forschung freigestellt werden.

Weshalb das wichtig ist? «Weil Forschung Teamarbeit ist und die Zusammenarbeit möglichst unkompliziert sein soll», antwortet Prof. Dr. med. Thomas Geiser, Direktor Lehre und Forschung Insel Gruppe, und ergänzt: «Früher arbeitete man meist den ganzen Tag für die Patientinnen und Patienten und forschte nach dem Feierabend und am Wochenende. Diese Zeiten sind vorbei. Die Forschenden arbeiten häufig eng zusammen und tauschen sich aus – auch international. Dazu sind mehr oder weniger geregelte Arbeitszeiten notwendig. Zudem haben sich die Arbeitsvorschriften verändert und es hat eine Sensibilisierung in Bezug auf eine gesunde Work-Life-Balance stattgefunden.»
Der Direktor Lehre und Forschung nennt ausserdem eine Personengruppe, für die Protected Research Time zentral sein kann: Eltern. «Viele Ärztinnen und Ärzte – aktuell noch häufiger Frauen als Männer – sind im Familienleben engagiert und haben entsprechend nicht die Möglichkeit, nach der Arbeit noch zu forschen.» Deshalb ist für Thomas Geiser wichtig, dass ein Universitätsspital seinen Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit bietet, während der Arbeitszeit zu forschen.

Dank der Protected Research Time ist die Arbeit als Ärztin oder Arzt, das Privatleben und die Forschung also besser vereinbar. Doch ganz alles lässt sich nicht abdecken. «Neben dem allgemeinen Zeitmanagement ist die Lehre eine grosse Herausforderung», erklärt Sabina Guler. «Um neben der Forschung noch Vorlesungen vorzubereiten, diese zu halten und gleichzeitig die Studierenden gut zu betreuen, reicht die Protected Research Time oft nicht aus. Dennoch – ich finde meine Protected Research Time extrem wertvoll und bin froh, diesen Tag für die Forschung zu haben.»

Wer forscht an einem Universitätsspital?
Nicht jede Ärztin oder jeder Arzt an einem Universitätsspital forscht. Vielmehr gibt es an der Insel Gruppe verschiedene Karrierewege, die man verfolgen kann. Ist man akademisch interessiert und möchte einen Teil der persönlichen Arbeit der Forschung widmen, kann man den Anteil und die Bedingungen individuell mit der vorgesetzten Person vereinbaren. Es ist jedoch auch immer möglich, sich 100 Prozent auf die medizinische Arbeit an der Patientin oder dem Patienten zu konzentrieren. Welcher Weg eingeschlagen wird, steht allen frei.

Sabina Guler hat sich für die Kombination von medizinischer Dienstleistung und Forschung entschieden. Ihre Forschung ist stark patientenorientiert. In ihrer täglichen Arbeit als Ärztin kommt sie immer wieder mit dem Aspekt in Kontakt, der sie motiviert, die Forschung weiterzuverfolgen: dem Bedarf. «Wenn ich sehe, dass beispielsweise ein entwickeltes Tool die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert oder in naher Zukunft ein Tool kommen könnte, das ihnen das Leben vereinfacht, motiviert mich das sehr.» Zudem schätze sie beim Forschen den Austausch und die Zusammenarbeit mit interessanten Personen aus den verschiedensten Berufsgruppen und Disziplinen. «Wir haben teilweise sehr unterschiedliche Hintergründe. Doch wir haben alle dieses gewisse wissenschaftliche Interesse und wollen unser Feld weiterbringen.»

Weg frei für die Forschung dank Protected Research Time?
Die Protected Research Time ist ein wertvolles Hilfsmittel für Ärztinnen und Ärzte, die sich der Forschung widmen wollen. Doch es braucht mehr als nur die bezahlte Forschungszeit, hält Thomas Geiser fest: «Damit gerade junge Forschende Erfolgserlebnisse haben und vorwärtskommen, braucht es ein gutes Mentoring, gute Infrastruktur sowie die notwendige Unterstützung bei administrativen Prozessen und inhaltlichen Fragen. Viele junge Leute sind sehr motiviert und haben tolle Ideen. Die administrativen Abläufe und Abklärungen können teilweise aber sehr kompliziert, zeitaufwendig und frustrierend sein. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Forschenden dabei unterstützen.»

Mit innovativen Hilfsmitteln die Lebensqualität verbessern
Lehre und Forschung werden an der Insel Gruppe grossgeschrieben. Die Forschungsergebnisse bringen wir ans Spitalbett, schaffen Raum für Innovation und fördern Talente. Die Forschung von Dr. med. Sabina Guler ist beispielsweise sehr patientenzentriert. Sie hat das Ziel, mit innovativen Hilfsmitteln die Lebensqualität und Alltagsfunktionalität von Betroffenen mit schweren chronischen Lungenerkrankungen zu verbessern. Dank unter anderem solcher Forschung gewährleisten wir die hochstehende Behandlung unserer Patientinnen und Patienten und unterstützen im Zusammenspiel mit wegweisender Lehre unseren ärztlichen und pflegerischen Nachwuchs.

Erfahren Sie mehr zur Lehre und Forschung am Inselspital – dem Universitätsspital Bern: www.inselgruppe.ch/de/lehre-und-forschung

Artikel Magazin Equal Voice September 2023

Protected Research Time schafft für Ärztinnen und Ärzte der Insel Gruppe Raum, damit sie neben der medizinischen Dienstleistung auch forschen können.