Transformationale Führung stärkt die medizinische Versorgungsqualität und fördert den Fortschritt im Gesundheitswesen. Hierzu sind innovative Leitungsmodelle gefragt. Ein Beispiel ist das sogenannte Topsharing, bei dem sich zwei Personen eine Führungsposition teilen. In der Schweizer Spitallandschaft ist dieses Modell immer noch rar.
Neue Wege, neue Chancen
Die Insel Gruppe nimmt im Medizinalwesen punkto Doppelspitzen eine Vorreiterrolle ein. Das Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche am Inselspital wird von einem Führungsduo geleitet: Mit PD Dr. med. et Dr. phil. Kristina Keitel und Dr. med. Isabelle Steiner, MME, übernahmen im März 2021 zwei engagierte Notfallmedizinerinnen die Co-Leitung des Notfallzentrums als Chefärztinnen.
Der Medizinbereich Kinder und Jugendliche beschreitet damit bewusst neue Wege im Hinblick auf zeitgemässe Führungsstrukturen und gelebte Frauenförderung: «Karriere und Familie sind keine Gegensätze, sie verlangen nur mehr Flexibilität und Mut, etwas Neues zu probieren. Dieses Konzept soll gezielt Frauen ermutigen, ihren Weg in der universitären Spitzenmedizin zu machen», sagt Prof. Dr. med. Matthias Kopp, Ärztlicher Leiter Medizinbereich Kinder und Jugendliche.
Geteilte Führung in der Medizin: eine Standortbestimmung
Was sind die Vorteile von Topsharing? Und welche institutionellen Rahmenbedingungen braucht es, um Doppelspitzen in der universitären Medizin umzusetzen? Am Montag, 8. November 2021 wurden diese und weitere Fragen im «CHESS talk» an der Universität Bern erörtert. Die Veranstaltung fand im Rahmen des von swissuniversities geförderten Projekts «Mehr Diversität beim medizinischen Führungskräftenachwuchs» statt.
Zwei für eins
Kristina Keitel und Isabelle Steiner nahmen an der Gesprächsrunde teil und schilderten ihre Erfahrungen mit geteilter Führung: «Wir freuen uns über das entgegengebrachte Vertrauen der Direktion der Insel Gruppe und der Kinderklinik, dieses Top-Sharing Modell umzusetzen. Notfallmedizin ist interprofessionelles Teamwork: Wir leben ein kooperatives Führungsmodell mit flachen Hierarchien, und hier fügt sich das Topsharing gut ein», erläutert Kristina Keitel.
Isabelle Steiner ergänzt: «Die Klinik erhält durch unser Tandem quasi zwei für eins; also zwei Gehirne mit je zwei Sichtweisen, die sich gegenseitig ergänzen. Sind wir im Begriff, einen schwierigen Entschluss zu fassen, diskutieren wir vorgängig alle Möglichkeiten und stehen gemeinsam für die getroffenen Entscheidungen ein. Unsere Entscheidungsfindung ist somit weniger personenbezogen.»
Kristina Keitel und Isabelle Steiner ist es ein Anliegen, jüngere Kolleginnen und Kollegen mit ihrem Beispiel zu motivieren.
Universitäre Medizin ist Teamwork
«Die gemeinsame Leitungsverantwortung erlaubt uns, die Kindernotfallmedizin in unseren jeweiligen Bereichen akademisch voranzubringen: Kristina tut dies in der Forschung, ich in der Lehre», so Isabelle Steiner weiter. «Als Einzelpersonen können wir nicht in allem exzellent sein: Klinik, Forschung, Lehre und Management. Forschung auf hohem universitären Niveau heisst vor allem Teamfähigkeit, also sich für die Entwicklung der Mitarbeitenden einzusetzen und sie in den Vordergrund zu stellen», betont Kristina Keitel.
Führungsmodelle im Rahmen der Gleichstellungsinitiative
«Ein wichtiges Ziel der im Juli 2021 lancierten Gleichstellungsinitiative Insel Gruppe ist die Förderung einer Kultur, die offen ist für lebensphasenspezifische Bedürfnisse der Mitarbeitenden», erklärt Michèle Bürgi, Gleichstellungsverantwortliche der Insel Gruppe. «Immer mehr Menschen wünschen sich ein ausbalanciertes Lebenskonzept, bei dem Familie, Freizeit, gesellschaftliches Engagement und persönliche Weiterentwicklung nebst der eigenen Karriere einen hohen Stellenwert einnehmen».
Dank innovativer Führungsmodelle wie Topsharing können Führungskräfte viele individuelle Entwicklungsmöglichkeiten gewinnen, die Insel Gruppe profitiere entsprechend von zufriedeneren und gegebenenfalls sogar leistungsfähigeren Mitarbeitenden. «Wir hoffen, dass das Beispiel von Kristina Keitel und Isabelle Steiner weiter Schule macht und Führungspersonen dazu ermuntert, neue Führungsmodelle auszuprobieren.»
Der Appell der beiden Chefärztinnen: «Habt den Mut und das Vertrauen, dass es solche Möglichkeiten gibt!»