Es ist eines der letzten grossen Mysterien der Wissenschaft: Warum schlafen wir? Weil auch Tiere schlafen, vermuten manche Biologen, dass eine Energieersparnis durch verminderten Stoffwechsel das Ziel ist. Viele Wissenschaftler bezweifeln diese These allerdings, da ein reduzierter Stoffwechsel nur wenig Energie einspart. Ein Forscherteam aus dem Inselspital und der Ohio State University in den USA legt den wissenschaftlichen Streit nun bei: Mit Methoden der Mathematik und Evolutionsbiologie kamen sie dem «Schlaf-Code» auf die Spur.
«Wir wollten herausfinden, wie viel Energie Schlafen tatsächlich im Vergleich zum Wachsein einspart. Unsere Studie führte uns aber zu einer grösseren Entdeckung», sagt Dr. med. Markus Schmidt vom Zentrum für experimentelle Neurologie am Inselspital. Im Schlaf sind Immunsystem, Gedächtnis und die Regeneration von (Nerven-)Zellen besonders aktiv – dies lässt sich auf den ersten Blick nicht mit Energieeinsparungen vereinbaren. Um die tatsächliche Energieeinsparung zu messen, entwickelte das Forscherteam ein mathematisches Modell. Dabei stiessen sie auf einen völlig neuen Energiespar-Mechanismus im menschlichen Körper.
Der Schlaf-Code
Das Forscherteam fand die Lösung des Rätsels in der sogenannten Partitionierung: «Im Schlaf und Wachzustand werden biologische Vorgänge zeitlich und räumlich gestaffelt und gebündelt», erklärt Markus Schmidt. «Die Stoffwechsel-Reduktion an sich spart nur etwa sieben bis acht Prozent unserer Tagesenergie. Mit der Partitionierung des Stoffwechsels zwischen Schlafen und Wachen werden es aber bis zu 37 Prozent. Damit haben wir den entschiedenden Mechanismus gefunden.»
Weitere Faktoren, die zu den Energieeinsparungen im Schlaf beitragen, sind laut dem Forscherteam die innere Uhr und die gesamte Schlafdauer jedes einzelnen Menschen. Der Mechanismus um die Partitionierung erklärt auch, warum chronischer Schlafmangel – beispielsweise als Folge von Ein- und Durchschlafstörungen oder bei Stress – sich so negativ auf unsere Gesundheit auswirkt. «Wenn wir ein Schlafdefizit haben, können dem Schlaf zugeordnete Funktionen nicht mehr vollständig ablaufen. Die Folgen sind vielfältig und reichen von Konzentrationsstörungen bis hin zu erhöhtem Krebsrisiko», so Markus Schmidt.
Die Studienergebnisse wurden im Oktober im Open-Access Journal PLOS One veröffentlicht.