Unser Darm ist täglich einer Vielzahl von Umwelteinflüssen ausgesetzt. Einige dieser Faktoren, wie Nahrungsbestandteile, Bakterien oder Viren, können das empfindliche Gleichgewicht im Darm stören. Zusammen mit genetischen Faktoren können sie zu überschiessenden Abwehrreaktionen führen, die sich als chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Inflammatory Bowel Diseases, IBD) äussern. IBD, zu denen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zählen, betreffen rund 20’000 Menschen in der Schweiz und führen häufig zu erheblichen körperlichen und psychischen Belastungen.
Ein Bestandteil innerhalb der Darmzellen, der besonders sensibel auf Umweltstressoren reagiert, ist das endoplasmatische Retikulum (ER). In diesem verzweigten Membrannetzwerk werden für die Zelle lebenswichtige Eiweisse hergestellt. In vorangegangenen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass sogenannter ER-Stress für die Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Ob ER-Stress dagegen auch eine Darmentzündung hemmen kann, war bislang unklar.
Neueste Resultate von einem internationalen Forschungsteam mit massgeblicher Beteiligung von Forschenden vom Department for Biomedical Research (DBMR) der Universität Bern und der Abteilung Gastroenterologie der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern zeigen zum ersten Mal positive Effekte von ER-Stress bei Darmentzündungen: Durch diesen werden in der Darmschleimhaut gezielt Abwehrzellen aus der Bauchhöhle rekrutiert. Diese Zellen können über die Produktion von Antikörpern vom Typ Immunoglobulin A (IgA) die Schutzbarriere der empfindlichen Darmschleimhaut verstärken und damit vor überschiessenden Entzündungsreaktionen schützen. Die Studie wurde im Journal «Science» publiziert.
Neuer Behandlungsansatz?
Die Forschenden erhoffen sich nun, dass die gewonnenen Erkenntnisse in Zukunft für neue Behandlungsansätze für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen genutzt werden können und planen bereits weiterführende Studien. «ER-Stress der Darmschleimhaut kann eine nützliche Funktion ausüben – vergleichbar mit dem aus der Psychologie entlehnten Begriff «Eustress»: einem stressauslösenden Reiz, der den Organismus jedoch positiv beeinflusst», sagt Niklas Krupka, einer der Ko-Erstautoren der Studie, der am Department for Biomedical Research, Universität Bern, und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern, forscht.
(Medienmitteilung der Universität Bern vom 28. Februar 2019)