Simon Häfliger, bei wem kommt das Molekulare Tumorboard in Frage?
Simon Häfliger: Bei Patientinnen und Patienten, die entweder einen komplexen molekularpathologischen Befund erhalten haben oder für die eine molekular-pathologische Diagnostik erfolgversprechend ist. Beispielsweise können das Patienten sein, für die es keine Standardtherapie gibt oder deren Tumor auf eine Therapie nach medizinischen Leitlinien nicht anspricht.
Basierend auf den gefundenen genetischen Alterationen geben wir, falls möglich, eine evidenzbasierte Therapieempfehlung ab. Diese Therapien sind manchmal für die untersuchte Tumorentität nicht zugelassen. Deshalb empfehlen wir wenn immer möglich die Teilnahme an einer klinischen Studie. Falls es keine gibt, kann die Empfehlung des MTB auch ein Argument gegenüber der Krankenkasse und dem Medikamentenhersteller sein, um einen Therapieversuch zu bewilligen.
Welche Tumoren diskutieren Sie?
Alle soliden Tumorarten kommen für eine MTB-Diskussion in Frage. Die betroffenen Patientinnen und Patienten befinden sich meist in einem fortgeschrittenem, nicht-kurativ behandelbarem Krankheitsstadium. Hämato-onkologische Erkrankungen werden direkt in den organspezifischen Tumorboards besprochen.
Am MTB diskutieren wir nicht nur molekulare Alterationen, sondern nehmen auch Rücksicht auf die jeweilige Patientensituation wie Allgemeinzustand oder Komorbiditäten. Es ist es daher gewünscht, dass der betreuende Arzt die Patientin oder den Patienten am Tumorboard vorstellt und in die Diskussion miteinbezogen wird. Die Diskussion und die Empfehlungen werden in einem Bericht festgehalten und sind für nachbetreuende Ärzte im Klinikinformationssystem einsehbar.
Was analysieren Sie?
Die Analysen des Tumorgewebes werden durch die Molekularpathologen des Clinical Genomics Lab (CGL) durchgeführt. Ziel ist es, prädiktive Marker für eine anschliessende medikamentöse Behandlung zu finden. Die am häufigsten verwendete Methode ist ein targeted Next-Generation-Sequencing (NGS) von DNA und RNA. Je nach Fragestellung werden auch zusätzliche molekular-pathologische Methoden angewendet.
Welches Gewebematerial wird dazu verwendet?
DNA und RNA werden für die NGS-Analyse aus formalin-fixiertem Tumormaterial gewonnen. Zunehmend können wir auch Mutationen in zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA aus Plasma) detektieren.
Die Diskussion wird hauptsächlich von medizinischen Onkologen und Molekularpathologen geführt. Anwesend sind auch Vertreterinnen der genetischen Beratung. Grundsätzlich ist das molekulare Tumorboard für alle Fachgebiete offen. Auf nationaler Ebene führen wir einmal pro Monat ein Swiss Molecular Tumor Board durch, welches zurzeit (noch) vor allem einen edukativen Charakter hat und die Interaktion von Klinikern, Molekularpathologen und Forschenden fördern soll.
Welche zielgerichteten Behandlungsmöglichkeiten können folgen?
Die Möglichkeiten der zielgerichteten Therapien sind in stetem Wandel. Kontinuierlich werden neue Wirkstoffe zugelassen. Als universitäres Zentrum beteiligen wir uns an der Entwicklung von neuen Behandlungsansätzen im Rahmen von klinischen Studien. Wir haben unser Studienportfolio für zielgerichtete Therapien in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut und partizipieren auch in ganz frühen Stadien der Wirkstofftestung wie Phase I Studien, inklusive first-in-human Versuchen.
Ist das Molekulare Tumorboard Ausdruck von Personalisierter Krebsmedizin?
Ja. Es hilft dem behandelnden Arzt, eine Therapie zu identifizieren, welche auf die molekular-genetische Veränderung des Tumors seiner Patientin oder seines Patienten zugeschnitten ist.