Blasenkrebs gehört weltweit zu den zehn häufigsten Krebsarten. In der Schweiz erkranken jedes Jahr etwa 1’300 Menschen daran. Bei sieben von zehn Betroffenen ist der Krebs auf die Blasenschleimhaut begrenzt. Diese Tumore werden als nicht-muskelinvasiv bezeichnet. Sie können in der Regel vollständig operativ entfernt werden und bilden selten Tochtergeschwulste (Metastasen). Die Aussichten auf Heilung sind darum insgesamt günstig. Hat der Krebs die Muskelschicht der Blase infiltriert, handelt es sich um muskelinvasiven Blasenkrebs. Dieser kommt bei rund einem Drittel der Patientinnen und Patienten vor und hat eine wesentlich schlechtere Prognose.
Blasenkrebs ist nicht gleich Blasenkrebs
Eine grosse Herausforderung bei der Therapie von Blasenkrebs ist die genetische Vielfalt der Krebszellen und die Variation von Patient zu Patient. Dies hat zur Folge, dass jede Person und jeder Tumor anders auf eine bestimmte Behandlung reagiert. Entsprechend liegt bei Blasenkrebsbetroffenen die Gesamtansprechrate auf Standardtherapien unter 30 Prozent. Die grosse Hoffnung im Kampf gegen Blasenkrebs sind darum personalisierte Therapien, die individuell auf die einzelne Patientin und den einzelnen Patienten zugeschnitten werden. Dafür braucht es allerdings realitätsnahe Tumormodelle, die das Testen verschiedener Wirkstoffe ermöglichen.
Einem Team um Professor Marianna Kruithof-de Julio, Forschungsleiterin an der Universitätsklinik für Urologie des Inselspitals und am Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern, gelang nun ein grosser Schritt in diese Richtung: Sie isolierten Krebszellen aus Biopsien von 41 Blasenkrebsbetroffenen und züchteten diese im Labor zu dreidimensionalen Mini-Tumoren (sogenannte Tumor-Organoide).
Dem echten Tumor sehr ähnlich
Die Forschenden konnten zeigen, dass die Mini-Tumore die wichtigen Eigenschaften des Ausgangsgewebes beibehielten: Die Organoide imitierten nicht nur die genetische Vielfalt der ursprünglichen Tumore, sondern auch die Struktur und krankhaften Gewebeveränderungen.
In einem weiteren Schritt nutzte das Team die Mini-Tumore um Krebstherapien zu testen, die gezielt in die für das Tumorwachstum verantwortlichen Zellvorgänge eingreifen. Als besonders wirksam erwies sich Lapatinib aus der Gruppe der Tyrosinkinaseinhibitoren. Das Medikament beeinträchtigte erheblich die Lebensfähigkeit von 37 Prozent der Organoide, die aus nicht-muskelinvasiven Blasenkrebszellen hergeleitet wurden, und von 67 Prozent der Organoide aus muskelinvasiven Blasenkrebszellen.
Personalisierte Therapien ermöglichen
Wie ihre Muttertumore reagierten auch die Organoide sehr unterschiedlich auf die getesteten Medikamente. Dabei zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen spezifischen genetischen Veränderungen an den Organoiden und der Wirksamkeit eines Medikaments. Aber auch die Entwicklung von Resistenzen gegen häufig verwendete Medikamente konnte das Forscherteam auf Veränderungen in ganz spezifischen Genen zurückführen. Diese könnten in Zukunft als Biomarker genutzt werden, um die Antwort einer Patientin oder eines Patienten auf eine bestimmte Therapie vorherzusagen und eine personalisierte Medizin bei Blasenkrebs voranzutreiben.
Marianna Kruithof-de Julio freut sich über die guten Ergebnisse: «In dieser Arbeit wurde erstmals personalisierte Medizin im Zusammenhang mit Blasenkrebs angewendet. Unsere Blasenkrebs-Organoide reagierten ähnlich auf Krebsmedikamente wie die ursprünglichen Tumore. Sie stellen deshalb ein vielversprechendes Modell dar, um zukünftig neue Therapien zu identifizieren und zu testen, bevor die Patientinnen und Patienten sie erhalten».
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Universitätsklinik für Urologie des Inselspitals
Department for BioMedical Research (DBMR)
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