Die amerikanischen «Congressionally Directed Medical Research Programs» (CDMRP) unterstützen im Auftrag des US Department of Defense mit Förderbeiträgen medizinische Forschungsprojekte aus zahlreichen Bereichen der Biomedizin. Es handelt sich dabei um Grants, um die sich Forschende in einem hochkompetitiven Verfahren bewerben können. Das US Department of Defense (DoD) ist für die lebenslange medizinische Versorgung seiner Angestellten zuständig. Aus diesem Grund unterstützt es mit seinen medizinischen Forschungsprogrammen sowohl Grundlagen- als auch angewandte Forschung auf zahlreichen Gebieten der Medizin, wie zum Beispiel Brustkrebs. Die «Congressionally Directed Medical Research Programs» gibt es seit 1992. Das Gesamtbudget für das Jahr 2019 beträgt rund eine Milliarde USD.
Ausserordentlicher Erfolg für Bern
In den vergangenen zehn Jahren wurden nur vier CDMRP Grants in die Schweiz vergeben – davon ging bereits 2017 einer an den Berner Biomediziner Adriano Taddeo. Bei den aktuellen Ausschreibungen sind es Robert Rieben vom Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und Marianna Kruithof-de Julio vom DBMR und Inselspital, Universitätsspital Bern. «Es handelt sich hier um einen ausserordentlichen Erfolg der Uni Bern, denn die zwei Forschenden sind die einzigen Schweizer, die in den Bereichen Prostatakrebs und Rekonstruktive Chirurgie ausgezeichnet wurden», sagt Daniel Candinas, Vizerektor Forschung. So ist das Projekt von Marianna Kruithof-de Julio eines von neun, das sich gegen 149 Mitbewerber durchgesetzt hat, wobei Ihr Projekt und drei australisches Projekte die einzigen ausserhalb der USA waren. Das Projekt von Robert Rieben ist sogar das einzige nicht-amerikanische Projekt von neun, die aus insgesamt 119 Eingaben ausgewählt wurden.
Das Projekt von Marianna Kruithof-de Julio wird mit rund 822 000 Dollar (umgerechnet rund 810 000 Schweizer Franken) für eine Laufzeit von 3 Jahren unterstützt, dasjenige von Robert Rieben mit rund 750 000 Dollar (umgerechnet rund 740 000 Schweizer Franken) für drei Jahre.
Die Überlebenschance bei Prostatakrebs erhöhen
Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart und zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern. Die Überlebensrate von Patienten hängt insbesondere von der Ausdehnung des Tumors ab. Beschränkt sich dieser auf die Prostata, beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 5 Jahre. Hat sich der Tumor auf andere Organe ausgebreitet, sinkt die Lebenserwartung auf 1–3 Jahre. Momentan kann Prostatakrebs erfolgreich chirurgisch behandelt werden, solange er sich noch in seiner ersten Phase befindet, in der er noch vom Hormon Testosteron abhängig ist. Im Anschluss folgt eine Therapie, in der Testosteron unterdrückt wird, um den Krebs in Schach zu halten und eine Metastasierung zu verhindern. Sobald der Tumor jedoch nicht mehr vom Testosteron abhängig ist und sogenannt «kastrationsresistent» wird, schlägt die Therapie nicht mehr an.
«Darum ist es dringend nötig herauszufinden, welche Faktoren die Kastrationsresistenz antreiben, und daraus neue Angriffsziele für Therapien zu entwickeln», sagt Marianna Kruithof-de Julio, Forschungsleiterin der Gruppe Urologie am Department for BioMedical Research (DBMR) und an der Universitätsklinik für Urologie am Inselspital, Universitätsspital Bern. Das kleine Protein «Cripto» ist ein solches mögliches Angriffsziel: Es kann an die Oberfläche von Zellen andocken oder aus diesen hinaus in den extrazellulären Bereich gelangen. «Wir vermuten, dass Cripto dazu beiträgt, Stammzellen in Prostata-Krebszellen zu verwandeln, und dass es stammzellähnliche Krebszellen bei therapieresistentem Prostatakrebs am Leben erhält», erklärt Kruithof-de Julio. Um diese Vermutung zu überprüfen, wird ihr Team die Signal-Aktivität von Cripto sowohl in Stammzellen als auch in Prostata-Krebszellen untersuchen. Dafür werden die Zellen genetisch manipuliert. «Indem wir unter anderem die Stoffwechsel-Prozesse dieser Zellkulturen untersuchen, können wir herausfinden, ob Cripto tatsächlich eine Rolle spielt bei der Umwandlung von Stamm- in Krebszellen», sagt Kruithof-de Julio. Sollte dies zutreffen, und könnten diese spezifischen Zellen in der Diagnose sichtbar gemacht werden, liesse sich vorhersagen, welcher Tumor sich zu einer aggressiven Variante entwickelt. «Eine solche Gruppe von Patienten sollte dann sorgfältig beobachtet werden – und bei ihr liesse sich dann eine spezifische Anti-Cripto-Therapie einsetzen», sagt Kruithof-de Julio.
Abgetrennte Gliedmassen erhalten
Wenn jemand zum Beispiel bei einem Unfall eine Hand, einen Unterarm, einen Fuss oder Unterschenkel verliert, haben die Chirurginnen und Chirurgen heute maximal 6 Stunden Zeit, um diese Gliedmasse wieder anzunähen – in einer sogenannten Replantation. Ein länger dauernder Unterbruch der Blutversorgung der amputierten Gliedmasse führt nach dem Wiederherstellen der Blutzufuhr zu Schäden: Die Gliedmasse schwillt massiv an, was zu einem Absterben der betroffenen Muskeln führt. Es können selbst Entzündungsreaktionen auftreten, die den ganzen Körper betreffen und im schlimmsten Fall zu einem Multiorganversagen und zum Tod führen.
Die Gruppe um Robert Rieben, Leiter der Gruppe Herz und Gefässe am Department for BioMedical Research (DBMR), forscht schon länger erfolgreich auf diesem Gebiet: In Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Plastische- und Handchirurgie am Inselspital hat sie schon vor Jahren eine Methode entwickelt, um traumatisch amputierte Gliedmassen mithilfe der Herz-Lungen-Maschine wesentlich länger am Leben zu erhalten, um damit Zeit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Diese haben möglicherweise auch andere, lebensbedrohliche Verletzungen, die vor der Replantation versorgt werden müssen: Es gilt «life before limb», erklärt Rieben. Gleichzeitig arbeitet seine Gruppe schon seit einiger Zeit an Substanzen, die die Blutgefässe während dem Unterbruch der Blutversorgung schützen und damit Schäden stark vermindern können. Im Projekt sollen nun die beiden früher entwickelten Techniken – zur Verlängerung der Zeitspanne bis zur Replantation von traumatisch (teil-)amputierten Gliedmassen – kombiniert werden. «Falls das funktioniert, könnten Gliedmassen auch bis zu eineinhalb Tage nach der Verletzung noch replantiert werden», sagt Rieben. «Davon profitieren würden Kriegsverletzte, aber auch Unfallopfer, gerade in einem Katastrophenszenario.»
Kontakt
PD Dr. Marianna Kruithof-de Julio
Department for BioMedical Research / Universitätsklinik für Urologie, Inselspital Bern
Tel. +41 31 632 09 31
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Prof. Dr. Robert Rieben
Department for BioMedical Research
Tel. +41 31 632 96 69
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