22. Mai: Welttag Präeklampsie

Im Interview spricht Prof. Daniel Surbek, Chefarzt Geburtshilfe und feto-maternale Medizin der Frauenklinik am Inselspital Bern über die Risiken, Möglichkeiten der Früherkennung und die Bedeutung einer guten Nachsorge bei Präeklampsie.

Prof. Surbek, was versteht man unter Präeklampsie?

Präeklampsie ist eine Komplikation, die nach der 20. Schwangerschaftswoche auftritt und für Mutter und Kind lebensbedrohlich sein kann. Rund 2500 schwangere Frauen erleiden in der Schweiz jährlich eine Präeklampsie. Die Komplikation wird auch präeklamptische Toxämie (PET) oder Gestose genannt, und es wird von HELLP Syndrom gesprochen, wenn zusätzliche Komplikationen hinzukommen. Im Volksmund ist sie vor allem auch als Schwangerschaftsvergiftung bekannt.

Warum ist der Welt-Präeklampsietag wichtig bzw. was sind Ihre Botschaften?

Der Tag soll auf die Gefahren einer Präeklampsie aufmerksam machen. Die Symptome einer Präeklampsie wie erhöhter Blutdruck, Kopfschmerzen, ein starkes Anschwellen von Armen, Beinen und Gesicht und erhöhte Werte von Eiweissen im Urin treten plötzlich auf. Meist werden sie erst erkannt, wenn es für eine Behandlung zu spät ist. Die Geburt des Kindes muss dann umgehend eingeleitet werden, damit weitere Komplikationen wie Krampfanfälle oder schwere Blutungen verhindert werden können. Die Präeklampsie gehört zu einer der wichtigsten Ursachen der mütterlichen Sterblichkeit weltweit, und ist eine der häufigsten Ursachen von Frühgeburten. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass wir Schwangere nicht verunsichern. Der Tag soll deshalb auch auf die Möglichkeiten zuverlässiger Vorsorgeuntersuchungen (Screenings) aufmerksam machen und aufzuzeigen, dass man ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko mit einer einfachen und nebenwirkungsarmen Prävention stark reduzieren kann. Ausserdem möchte ich betonen, wie wichtig eine gute Nachsorge für Präeklampsie-Patientinnen ist.

Wie weiss man als schwangere Frau, ob man ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko hat?

Die Frauenklinik des Inselspitals bietet ihren schwangeren Patientinnen seit Neustem ein Screening auf Präeklampsie an, das im Rahmen der ersten Ultraschall-Screeninguntersuchung durchgeführt wird. Mehrere Studien, darunter auch eigene Studien der Frauenklinik, haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Präeklampsie bereits früh in der Schwangerschaft mit Blutdruckmessungen, einer Blutanalyse und einer Messung der Gebärmutterdurchblutung mittels Ultraschall einfach bestimmt werden kann. Bei rund 10 Prozent der schwangeren Frauen ergibt das Screening ein erhöhtes Risiko für Präeklampsie.

Was können Schwangere tun, wenn das Screening ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko ergibt?

Bei Frauen mit erhöhtem Risiko für Präeklampsie kann die Gabe von niedrigdosiertem Aspirin die Präeklampsie zu 70% verhindern Das niedrigdosierte Aspirin hat praktisch keine Nebenwirkungen und ist zudem sehr kostengünstig.

Sie haben von der Nachsorge gesprochen. Warum ist sie wichtig bei Frauen, die eine Präeklampsie erlitten haben?


Diese Frauen zeigen nach der Geburt des Kindes im späteren Leben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Risiko ist vergleichbar mit dem von Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterin oder Rauchen. Die Frauenklinik führt deshalb drei Monate nach der Entbindung routinemässig eine Nachuntersuchung der Herz- und Nierenfunktion durch, und empfiehlt anschliessend eine regelmässige Kontrolle durch den Hausarzt. Screening, Prävention und angemessene Nachkontrollen tragen somit dazu bei, hohe Gesundheitskosten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folgen einer Präeklampsie zu vermeiden.

Was tut die Frauenklinik im Bereich Präeklampsie?

Die Frauenklinik ist das schweizweit grösste und ein überregionales Zentrum zur Erforschung und Prävention von Präeklampsie. Wir waren die erste Klinik in der Schweiz, die das Präeklampsiescreening und die routinemässige Nachkontrolle bei betroffenen Frauen eingeführt hat. Weiter engagieren wir uns stark in der Forschung mit weltweit vielbeachteten Forschungsergebnissen (Studien Geburtshilfe Frauenklinik), damit wir in Zukunft Ursachen und Risiken der Präeklampsie besser verstehen und so Screening, Behandlung und Nachsorge optimieren können. Ausserdem erforschen wir Folgeerkrankungen bei Mutter und Kind, um auch hier Präventionschancen zu nutzen. Als Organisatoren des 18. Internationalen Präeklampsie-Kongresses (ISSHP-DACH) konnten wir letztes Jahr Experten aus der ganzen Welt am Inselspital in Bern empfangen.

Zur Person


Prof. Dr. med. Daniel Surbek ist seit 15 Jahren Co-Klinikdirektor und Chefarzt Geburtshilfe und feto-maternale Medizin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde des Inselspitals Bern. Der gebürtige Basler forschte und arbeitete auch in den USA und in Grossbritannien am King's College Hospital in London. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören nebst der Präeklampsie die Verhinderung der Frühgeburt und die Stammzelltherapie zur Behandlung der geburtsbedingten Hirnschädigung bei Neugeborenen.