Eierstockkrebs - Welche Rolle spielen die Gene?
Interview mit Dr. med. Laura Knabben
Dr. Knabben ist Oberärztin am Brustzentrum der Frauenklinik im Inselspital und leitende Ärztin der gynäkologischen Sprechstunde «Seeland Gyn» im Spital Aarberg. Durch ihre langjährige Tätigkeit in der Frauenklinik bringt sie grosse Expertise auf dem Gebiet der gynäkologischen Krebserkrankungen mit, insbesondere in den Bereichen Genetik und Brusterkrankungen. Sie hat einen Schwerpunkt in operativer Gynäkologie und Geburtshilfe, ist Senior-Brustoperateurin und dipl. Senologin SGGG (Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe).
10 Prozent der Brustkrebserkrankungen sind genetisch bedingt. Warum ist die genetische Abklärung auch bei Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) wichtig?
Laura Knabben: Beim Eierstockkrebs geht die Forschung von 20 Prozent aus, also einem deutlich höheren Anteil. Dieser Fakt ist aber im Bewusstsein der Gynäkologinnen und Gynäkologen wie auch der Patientinnen viel weniger stark vertreten. Eigentlich sollte jede Frau mit einem Eierstockkrebs eine genetische Abklärung vornehmen lassen. Denn die Resultate haben Relevanz für ihre Familienmitglieder und die Therapie der Patientin. Idealerweise entdeckt man auf diese Weise gesunde Mutationsträgerinnen, denn sie können noch risikoreduzierende Massnahmen ergreifen.
Wem wird eine genetische Abklärung empfohlen?
Laura Knabben: Es gibt klare Leitlinien, wann einer Frau die genetische Abklärung nahegelegt wird. Auf eine erbliche Ursache deutet etwa das gehäufte Vorkommen von Brust- und/oder Eierstockkrebs in der Verwandtschaft ersten oder zweiten Grades. Ob mütterlicher- oder väterlicherseits spielt dabei keine Rolle. Weitere Hinweise sind ein junges Alter bei der Diagnose; Bei Brustkrebs z.B. unter vierzig Jahren. Ebenso werden gehäufte Fälle von Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs als Kriterium angesehen.
Geht es immer um die BRCA-Gene?
Laura Knabben: Nein, es sind zurzeit ca. 19 Gene, deren Mutationen ein erhöhtes Risiko für Ovarial- und Mammakarzinome anzeigen können. Es gibt ca. 5 Hochrisikogene, unter denen BRCA1 und BRCA2 am häufigsten vorkommen. Die anderen Hochrisikogene sind extrem selten. Die Genetik kennt ausserdem eine grosse Gruppe von moderaten Risikogenen. Sie kommen häufiger vor als die Hochrisikogene, haben aber eine geringere klinische Relevanz. Das höchste Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken birgt dennoch das BRCA-Gen. Ich würde zudem auch das sogenannte Lynch-Syndrom nennen.
Eine Frau erhält positiven Bescheid. Was geschieht dann?
Laura Knabben: Wenn es eine gesunde Mutationsträgerin ist, wird eine intensivierte Früherkennung für Brustkrebs ab 25 Jahren empfohlen. Das sind sechsmonatliche Kontrollen. Für Eierstockkrebs gibt es keine Früherkennung. Dort empfiehlt man zwischen 35 und 45 Jahren nach abgeschlossener Familienplanung die beidseitige Entfernung der Eierstöcke. Dies hängt von der Mutation ab und der Familienanamnese. Dabei ist ausschlaggebend, wie jung die jüngste Verwandte erkrankt ist.
Ein happiger Eingriff…
Die Entfernung der Eierstöcke kann das Leben der Patientin nachhaltig verändern. Die Frau kommt nach dem Eingriff in die Wechseljahre, mit den bekannten Nebenwirkungen. Patientinnen werden während und nach der Behandlung umfassend betreut. Auch besteht die Möglichkeit, mit einer begleitenden Hormontherapie Beschwerden während der Menopause zu reduzieren. Wichtig ist: Der Eingriff gibt betroffenen Frauen die Chance, das Risiko einer schweren Erkrankung zu reduzieren, für die es keine Früherkennung gibt.
An wen kann man sich wenden, wenn man eine genetische Abklärung wünscht?
Laura Knabben: Der behandelnde Gynäkologe oder die Gynäkologin weist Patientinnen direkt an ein spezialisiertes Krebszentrum zu. Genetische Abklärungen dürfen nur Genetiker durchführen und Fachärzte der Onkologie bzw. Gynäkologie, die eine Zusatzausbildung haben sowie mit einem Genetiker zusammenarbeiten. In der Frauenklinik bieten wir zur Unterstützung BRCA-Gesprächskreise für Mutationsträgerinnen und ihre Angehörigen an.